Stürmischer Sipplinger Kopf

23. September 2022


DSC 4861Da mir schon im Frühjahr eine genauere Erkundung des Gunzesrieder Tales sehr vorteilhaft erschien und nun, gegen Ende des Septembers, die Alpwirtschaft wieder in die Winterruhe geht haben wir uns erneut zu dem großen Wanderparkplatz begeben. Die Temperaturen sind noch gut einstellig, die Wettervorhersage sieht mit „trocken und angenehm warm“ den Verlauf des Tages vorher, als wir vom gerade erwachenden Dorf an der Säge aufbrechen, den Sipplinger Kopf zu erwandern. Wie auf jeder unserer Runden besteht der erste Kilometer aus beständigem Spurenlesen seitens Aiyana und Banu während ich, auf der ersten Anhöhe angekommen, die ersten Sonnenstrahlen genieße die lang gezogene Abbilder der Wölfchen in die Landschaft malen. Von den Talsohlen herauf klingen noch vereinzelt Kuhglocken von den Tieren die noch nicht in ihre Winterquartiere abgeholt wurden und bei jedem einzelnen Schlag überzeugen sich die Fellnasen dass nicht eines der Rinder in unserer Nähe ist. Aber nein, oberhalb unserer jetzigen Position werden wir keine Probleme bekommen,dessen bin ich mir sicher. „Banu, Aiyana – weiter gehts“ rufe ich den beiden zu und wir tauchen wieder ein in die Stille der Natur und entschwinden für ein paar Stunden dem Alltag.


Mutterseelen allein marschieren wir auf dem ersten Höhenzug in Richtung Balderschwang und passieren dabei neben verschlossenen Hütten auch so manche versiegte Wasserquelle. Der Blick führt weit in Richtung Westen wo im Hintergrund die Hügelkette um den Sipplinger Kopf herum erkennbar sind. In den letzten Tage hat es hier oben schon geschneit wie an den fernen weißen Flecken in der Landschaft zu erkennen ist. Ohne den Schutz des Waldes bläst uns hier schon ein kräftiger Wind ins Gesicht, neben dem gelegentlich zu hörenden Ruf eines Vogels das einzig vernehmbare Geräusch. Ich bin froh eine zusätzliche Jacke eingepackt zu haben da ich nicht den Vorteil der Fellträger genieße für solche Witterungsverhältnisse ordentlich „gekleidet“ zu sein.


DSC 4861Bei diesem Anblick fallen mir unerwartet die Meldungen dieses Sommers wieder ein. Wie an den Berg gelehnt steht diese Hütte da und ich frage mich ob man hier wirklich ruhig schlafen kann. Dahinter steigt die Flanke des Sipplinger Kopfes steil empor und man stelle sich vor wenn da etwas ins Rutschen gerät. Außerdem fällt mir ein dass wir hier schon einmal unterwegs waren, wenn auch aus entgegengesetzter Richtung kommend mit Ausgangspunkt in Balderschwang. Banu und Aiyana genießen während meiner Gedankengänge ihre Freiheit und prüfen in der nahen Umgebung jede Spur die etwas Aufregung verspricht. Ihre wildesten Zeiten haben sie zwar hinter sich, ein kurzes Spielen in den, vom der letzten Schlechtwetterphase, übriggebliebenen Schneefeldern ist aber immer noch drin. Der zunehmend starke und eisige Wind fegt mir kurzerhand den Hut vom Kopf und die Wölfchen staunen nicht schlecht als ich urplötzlich einen Sprint hinterher einlege. Es fühlt sich bereits nach Winter an – der Aufenthalt auf der exponierten Spitze unseres Wanderzieles wird sicherlich etwas unangenehm werden.


Aiyana hat bereits einen kleinen Vorsprung und grüßt uns vom Gipfel hinunter. Da oben ist nicht allzu viel Platz und ich bin froh dass sich die Wölfchen in diesem Gelände so sicher bewegen. Während ich mit Banu das letzte Teilstück in Angriff nehme, bei jeder der steil ansteigenden Stufen ist dabei ordentlich Kraft aufzuwenden, scheint dies für die sportliche Pfotengängerin ein einfaches Unterfangen gewesen zu sein. Etwas außer Puste haben wir „alten“ es dann auch geschafft und so stehen wir zu dritt direkt auf dem höchsten Punkt des Sipplinger Kopfes. Wie schon vermutet versucht der Wind mich gleich wieder von hier zu vertreiben und zeigt mir mit dem deutlich schwankenden Gipfelkreuz und den surrenden Stahlseilen die es absichern welche Kraft in ihm steckt. Erst mal hole ich deshalb die bereits erwähnte, winddichte Jacke aus dem Rucksack während wir uns auf die etwas windschattigere Seite verziehen. Die Vesperpause lassen wir uns jetzt aber nicht mehr nehmen und während ich mit einer Tasse Tee meiner Körpertemperatur etwas auf die Sprünge helfe beobachten meine Begleiterinnen die gerade auftauchenden Wanderer die sich das selbe Ziel wie wir ausgesucht haben.


DSC 4861Einer Statue gleich sitzt Banu in der Wiese und starrt auf die kleine Gruppe die sich gerade hinter der Geländekante gezeigt haben. Solange jedoch keine anderen Vierbeiner in der Nähe sind muss ich mir keine Sorgen machen da Aiyana und Banu die Zweibeiner einfach links liegen lassen, solange diese ihrerseits die Wölfchen keiner genaueren Beurteilung unterziehen. Die Gipfel der südlich liegenden Bergkette sind durchweg bereits mit einer weißen Kappe versehen und zusammen mit dem heftig wehenden Wind und den niedrigeren Temperaturen verstärkt sich noch mein Gefühl an Winters Schwelle zu stehen. Als wir unsere Mittagspause beenden sind wir dann auch schon wieder alleine hier oben und ich drehe eine kleine Runde um den Gipfel immer wieder einen Blick nach dem Wetter richtend, Regen wäre jetzt sehr unangenehm. Allzu lange halten wir es dann aber nicht mehr aus und so packen wir unsere Sachen wieder zusammen und beginnen den Abstieg zurück ins Tal.

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Über Stunden sind nur die Geräusche der Natur zu hören, wenn auch stellenweise lauter als gewohnt.


Während ich bei jedem Schritt auf dem steil abfallenden, mit Holzpfählen gesicherten Weg aufpassen muss nicht ins Rutschen zu geraten macht mir Aiyana mit ihrem „Allradantrieb“ wieder einmal klar wie einfach das Leben sein kann. Als ob es keiner gesonderten Sicherheitsbetrachtung der Lage bedürfe springt sie von Schneefeld zu Schneefeld und wundert sich höchsten warum sie immer wieder bis zum Bauch einsinkt. Die beiden scheinen ein besonderes Gespür für den Weg zu haben, weichen sie selbst wenn dieser vollkommen verdeckt ist kein bisschen von der vorgegebenen Route ab. Die links und rechts stellenweise senkrecht abfallenden Flanken beeindrucken sie dabei in keinster Weise während ich ständig darauf bedacht sein muss nicht von einer Windböe hinunter gefegt zu werden. Und so bin ich dann doch recht froh als wir den unwirtlichsten Teil der heutigen Runde hinter uns lassen und geschützt durch die umliegenden Höhenzügen auch die Temperaturen wieder etwas angenehmer sind.


DSC 4861Der Weg hinab verläuft jetzt in vielen Serpentinen mit mäßigem Gefälle teils über freie Wiesen, teils durch herbstlich anmutende Wälder. Der Untergrund ist mit dem losen Kies und den, immer wieder quer verlaufenden, Wurzeln recht anstrengend und ich bin damit beschäftigt nicht ins Rutschen zu geraten. Schritt für Schritt mit Bedacht gewählt und dabei die Wölfchen nicht aus den Augen lassend nähern wir uns den schon wieder zu vernehmenden Kuhglocken. Ein paar Tiere sind dort unten noch auf ihren Weiden, ein Umstand der die Fellnasen zunehmend unruhiger werden lässt. Mit Erreichen des Talbodens legen wir dann erst mal eine weitere kleine Rast ein welche die zwei für ein kurzes Schläfchen nutzen. Und ich stelle meine „überhitzen“ Füße in den klaren Bergbach der sich direkt vor uns seinen Weg ins Tal sucht. Kurz darauf liegen ich dann bei Banu und Aiyana und schließe ebenfalls ein wenig die Augen um den Moment wirklich genießen zu können.Als die Schatten der Bergkämme uns einzufangen drohen brechen wir wieder auf und begeben uns auf das letzte Teilstück zurück zur Gunzesrieder Säge und dem Wanderparkplatz.


Die letzten Kilometer werden dann doch noch etwas anstrengend, weniger körperlich als geistig denn hier unten ist doch schon wieder so allerhand los. Kühe, Traktoren, Radler, Spaziergänger – alles Dinge die den Wölfchen so gar nicht in den Kram passen. Und ich ertappe mich dabei darüber nachzudenken das nächste Mal den alternativen Abstieg zu nehmen auf dem wir uns gemächlicher direkt in Richtung Gunzesried ins Tal hinab begeben würden. Oder aber mit dem Auto die Mautstraße entlang und direkt hier am Ende des Tales parken um dann von der Südseite her den Kamm des Hochgrats zu erwandern. Als wir auf eine Gruppe Ziegen treffen werden Banu und Aiyana dann doch wieder etwas munter aber auch hier muss eingeschritten werden. Nein, hiergeblieben. Als wir schließlich am Parkplatz ankommen legen sich die beiden Damen prompt zu einem Schläfchen ins Gras, erst mal richtig hier sein bevor es wieder ins Auto und auf den Heimweg geht. Und während die Wölfchen einschalfen rufe ich mir noch einmal die Bilder dieses Tages ins Gedächtnis.

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